IBM, HP, Dell und cisco veröffentlichen neue Richtlinien für einen sicheren Server-Betrieb

Drei Effekte greifen ineinander und führen seit 2006 zu einer deutlichen Steigerung der Ausfallrate von Servern in Rechenzentren. Der folgende Fachartikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen RoHS, Luftverschmutzung und Kühlbedarf heutiger Mikroelektroniken.

Bis 2006 waren in Rechenzentren die Richtlinien für die Klimatisierung klar und das Klimafenster schmal : Bei Einhaltung eines Temperaturbereiches von 18 – 27 °C und einer relativen Feuchte < 44% (rF) waren keine Einschränkungen der physischen Rechenzentrumssicherheit zu erwarten. Weitere Angaben zur Luftqualität der Kühlluft gab es damals noch nicht. Diese Situation hat sich seither deutlich geändert. Alle wichtigen Server- und Infrastruktur-Hersteller, wie zum Beispiel IBM, HP, Dell oder cisco publizieren seit 2011 über ihr ASHRAE Committee 9.9, dass neue Server und Router nun zwar bis zu einem Klimafenster von 5-45°C / rF < 90% betriebsfähig seien, fügten jedoch eine kleine, aber wichtige Einschränkung hinzu: Jetzt war die Luftreinheitsklasse G1 gemäß ANSI/ISA Norm 71.04 gefordert.

SMD DIL Addressbuffer korrodiert
SMD DIL20 mit Korrosion

Auch die ANSI/ISA hat ihre alte 1985er-Norm im Jahr 2013 an die veränderte Situation angepasst, wobei folgende, zusätzliche Kriterien berücksichtigt wurden:

Das durch die RoHS Richtlinien 2006 nicht mehr erlaubte Blei in elektronischen Komponenten wurde weitestgehend durch Silber ersetzt. Silber hat zwar bessere elektrischen Eigenschaften, aber auch eine extreme Korrosionssensibilität gegenüber schwefelhaltigen Luftbelastungen in Form saurer Gase. Hierdurch wurde Silber neben Kupfer als weiteres zu testendes Metall mit einem um 30% tieferen Grenzwert aufgenommen.

Effekt 1: Durch den vermehrten Einsatz von Silber, notwendig geworden durch die RoHS, sind heutige Elektronikschaltungen deutlich empfindlicher gegen korrosive Luftbestandteile geworden.

Bedingt durch die technische Entwicklung der Mikroelektronik erfahren auch alle IT-Komponenten eine kontinuierliche Miniaturisierung und sind durch die kleineren Strukturen heute deutlich anfälliger gegenüber korrosiv belasteter Luft. Durch die Verringerung der Abstände reichen bereits kleinste Korrosionen, ja selbst Ablagerungen von sauren Salzen auf den Leiterbahnen, um verbunden mit Staub und Feuchtigkeit von parasitären Kapazitätserhöhungen bis hin zu temporären Kurzschlüssen beliebige Störungen hervorzurufen.

Effekt 2: Die Miniaturisierung verringert die Strukturen und erhöht die Anfälligkeit für Korrosion der Leiterbahnen, Lötverbindungen und bei Mikrokavitäten auch des Bondings.

Gleichzeitig steigt mit der Miniaturisierung kontinuierlich die Rechenleistung. Obwohl dabei die elektrische (Verlust-) Leistung je Transistor in den integrierten Schaltungen stetig sank und weiter sinken wird, wird dieser Fortschritt durch die höhere Integration und damit höhere Anzahl Transistoren bei weitem aufgewogen. Es bleibt dabei: die Rechenleistung je Kubikzoll steigt kontinuierlich, und mit ihr der Energiebedarf und leider auch die Abwärme.

Jetzt kommt hinzu, dass durch das größere Temperaturfenster die Anforderungen an die Temperatur der Kühlluft sinken konnte, und zu einer Energie- und Kosteneinsparung geführt hat, die sehr willkommen ist. Gleichzeitig macht der jetzt auch geringere Unterschied der Temperatur zwischen Abluft und Kühlluft bei gestiegener Energiedichte der Serverelektroniken eine proportional höhere Luftmenge notwendig.

Effekt 3: Die heute gegenüber früher gestiegenen Luftmengen tragen deutlich mehr korro­sive Luftbestandteile an die miniaturisierten Strukturen heran.

Alle drei Effekte potenzieren sich und führen zu einem deutlichen Anstieg von Serverausfällen. Dies erfordert ein erhebliches Umdenken der Verantwortlichen, um die physische Sicherheit von Rechenzentren weiter aufrecht zu erhalten.

Ein erster Schritt zur nachhaltigen Sicherung der Verfügbarkeit, nach Kenntnisnahme der Wirkungskette Luftbelastung-RoHS-Miniaturisierung-Luftmengenerhöhung-Serverausfall ist es, überhaupt die konkrete Luftbelastung am Standort im Rechenzentrum zu kennen, wozu ANSI/ISA in ihrer überarbeiteten Norm (Annex C) einen entsprechenden Coupon (Abb. 1 oder Link) zur direkten Erfassung der korrosiven Luftbelastung auf Silber und Kupfer spezifiziert hat.

Dieser Coupon erfasst auf beiden Metallen die gemessene Korrosionsfilm-Stärken, ermittelt die Korrosionsklasse gemäß ISA Norm (Ǻ/30 Tage) und gibt auch Hinweise ob die Luftqualität für die eingesetzten Systeme zuträglich ist. Ferner kann die Analyse als Basis für weitere Maßnahmen herangezogen werden.

Auf Basis der Coupon Analyse kann dann entschieden werden:

  • Zeigt der Coupon „G1 Konditionen“?
    In diesem Fall besteht bezüglich weiterer Aktionen zur Verhinderung chemischer Belastungen der physischen Betriebssicherheit kein Anlass.
  • Zeigt der Coupon „G2 Konditionen“,
    liegt das weitere Vorgehen in der Entscheidung des RZ-Betreibers, welchen Stellenwert er den Forderungen seines Serverlieferanten bezüglich Garantieanspruch und Betriebssicherheit einräumt, und wie hoch er Betriebs- und Datensicherheit in seinem RZ generell beurteilt.
  • Zeigt der Coupon „G3 / GX Konditionen, dann
    sollten kurzfristig Maßnahmen diskutiert werden, um die Situation entsprechend zu verbessern und das Korrosionsrisiko zu senken.

Die korrosive Luftbelastung wird in den kommenden Jahren steigen und damit die physische Betriebssicherheit von Rechenzentren zunehmend gefährden.

Von den einschlägigen Gremien wird daher vorgeschlagen, im Rechenzentrum eine kom­binierte Erfassung der Klima- und chemischen Belastungsdaten für Kupfer und Silber zu installieren.

Das DOLGE-System OnGuard 4000 ist hierfür in mehrerer Hinsicht geeignet. Es ist leicht zu installieren, liefert in wählbaren Zeitintervallen einen kompletten Datensatz, Speicherkapazität >20.000 Zyklen. Zusätzlich ist es möglich, über verschiedene Schnittstellen die Daten an ein Leitsystem auszugeben. Somit ist neben der reinen Messung auch eine kontinuierlichen Registrierung / Alarmierung möglich. Diese zusätzliche Sicherheit sollte man sich nicht vorenthalten.

Weiterführende Links

Tabelle der Luftqualitäten als PDF: ISA Luftkorrosionsklassen_D

Dipl. Chem. Klaus Dolge 

Dipl.-Inform. Med. Wolfgang K. Weber

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Andreas Peetz

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